Freitag, 27. August 2010

Die Mittagsfrau von Julia Franck

Quelle: Fischer Verlag
Körperlich. Zärtlich. Rücksichtslos. Die Lebensgeschichte einer jungen Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Eine Familiengeschichte. Eine Liebesgeschichte. Die Beschreibungen in "Die Mittagsfrau" schwanken zwischen höchster Detaildichte und totaler Aussparung. Die Reaktionen: Lächeln und Weinen, Glück und Schmerz. Lange habe ich keinen Roman mehr so intensiv mitgefühlt.

Der Roman unterteilt sich in mehrere Haupt- und Unterkapitel. Die Erzählperspektive wechselt. Wie der Prolog mit dem Rest des Romans zusammenpasst, wird erst im Epilog deutlich. Die Sprache ist sachlich kühl oder zärtlich nah. Im gesamten Roman findet sich keine wörtliche Rede. Im Zusammenspiel mit Sprache und Inhalt erzeugt diese Redeform gleichzeitig Distanz und Nähe.

Im Hauptteil werden die Leser_innen mitgenommen in die Welt der Helene Würsich. Ihre Kindheit in Bautzen ist geprägt von der innigen Liebe zu ihrer neun Jahre älteren Schwester Martha und dem verqueren Verhältnis zur depressiven Mutter. Später beschließen die Schwestern gemeinsam nach Berlin zu gehen.  Nach Anlaufschwierigkeiten findet Helene wenigstens ein kleines und kurzes Glück in der großen Stadt.

Der Roman ist geprägt von Schwankungen, von unerwarteten Wendungen und von vorhersehbaren Tragödien, so auch am Ende. Diese Aufs und Abs, die sich in allen Ebenen durch den gesamten Roman ziehen, machen "Die Mittagsfrau" so faszinierend, so herzzerreißend.