Freitag, 9. September 2011

Der Vaginaraub - Sex'n'Rock'n'Horror Show

Ja, was habe ich denn eigentlich erwartet, als Christoph Glanemann (bekannt durch GOLDUST und vor allem durch den Penisraub) sein zweites Musical ankündigte? Ein Musical namens Vaginaraub übrigens - da hat er sich in Sachen Gleichberechtigung nicht lumpen lassen. Der Untertitel: Sex'n'Rock'N'Horror Show. Frei ab 18 Jahren. 

Provokation habe ich erwartet. Und Provokation habe ich bekommen. Nackte Haut, überdimensionierte Penisse (wie auch schon im Penisraub), Körperflüssigkeiten jeder Coleur, blutrünstige Operationen... am 6. September 2011 feierte der Vaginaraub in Münster Premiere.

Kurz zur Handlung: Penisse sind Sex und Sex ist Macht. Klar, dass der Weltherrscher die Macht der Penisse für sich nutzen will. Penisse erzeugen beim Sex Reibung, diese Reibung erzeugt Energie, welche sich wiederum zu Geld machen lässt (mal ein neuer Ansatz zur viel diskutierten Energiewende...). Sex wird abgeschafft. Zur Not auch mit Gewalt. 

Besonderes Ziel der Ausbeutung durch den Weltherrscher sind die Sexisten, im Vaginaraub in Form der Figur Bert. Alle Frauen sind für ihn nur Lustobjekte, auch seine Freundin Cassandra. Namentliche Bezüge zur patriarchatskritischen Christa Wolf Kassandra können kein Zufall sein. Auch sie wird Opfer des Systems. Ihre Vagina wird vom verrückten Doktor gestohlen, damit Bert keinen Sex mehr mit ihr haben kann. Er soll fortan nur noch in der Fabrik Reibung erzeugen.

Photo von Bastian Greshake
Im Finale schließlich wird der Weltherrscher sowie sein verrückter Doktor überwältigt. Die gigantischen Penisse schrumpfen auf Normalgröße, die Welt ist gerettet und alle tanzen und singen.

Dazwischen geschehen schreckliche Dinge: Ejakulation auf einen Komapatienten, Zwangsabtreibung, Verspeisung des Fötus... damit ist dann klar, was im Untertitel mit Horror gemeint ist. Splatter hätte eigentlich noch besser gepasst. Gut, dass ich nicht in der ersten Reihe gesessen habe. 

Die Musik, immerhin 13 Songs (diese Anzahl scheint sich immer wieder zu bewähren), stammt komplett von Christoph Glanemann, der mit diesem Stück seinen Abschluss im Bereich Theaterdrumming und Komposition auf den Weg gebracht hat (Sowas studiert man übrigens am Conservatorium Enschede). Verträumte Melodien und Verrücktheit unterstreichender Krach wechseln sich im Stück ab. Unterstützt wird Christoph von den Musikern Wladlen Schöner und  Peter Bergmüller. 

Da es sich um ein Musical handelt, dürfen natürlich auch die Singenden nicht fehlen (namentlich Paul Jungeblodt, Mone Seidel, Kris Lucas und Basti Schröer). Allesamt, auch Statistin_innen, Ton- und Lichtmenschen und die Regisseurin (Hanni-Isabell Barfuss) haben eine beeindruckende Show abgeliefert, zumal wenn man bedenkt, dass Vorbereitungen und Proben wohl für die meisten neben Job, Uni und Alltag liefen.

Ein bisschen Kritik zum Schluss muss aber sein: Zwar heißt das Stück Vaginaraub, eine überlebensgroße Vagina oder Ähnliches auf die Bühne zu stellen, haben sie sich am Ende dann aber doch nicht getraut. Für Vagina-Support muss man dann wohl doch ins Theater und sich die Vagina-Monologe ansehen oder zu einer Peaches-Show gehen. Stattdessen: Penisse, wo das Auge hinschaut. Die sind aber wohl auch einfacher zu bauen (Man(n) nehme ein Trockner-Abluftrohr und fast fertig ist das Teil). 

Photo von Bastian Greshake
Das Stück hätte sicher außerdem auf einer cleaneren Bühne besser gewirkt. Der Kontrast zwischen provokativem Stück und einem Theatersaal hätte vieles noch mehr in Szene gesetzt. Theater als heterotoper Raum - darf man am Ende aber sicher auch nicht zu räumlich sehen. 

Und die Moral von der Geschicht'? Genitalverstümmelung ist schlecht, Energiewende ist gut und Sex bleibt Macht. Entertainen kann der Vaginaraub auf jeden Fall. Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass der eine oder die andere die Provokationen nur schwer ertragen können wird. Aber das war ja beim Penisraub nicht anders. Auf die nächste Steigerung bin ich jedenfalls gespannt. 

Edit :Der Vaginaraub wird am 6. Dezember 2011 nochmal aufgeführt, wieder in Münster. Näheres hier.

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