Neulich kam das Gespräch im Bekanntenkreis auf das immernoch recht neue Fräulein Magazin. Das Missy Magazine sei ja eine coole Zeitschrift, aber für einige vielleicht zu direkt, zu politisch. Das Fräulein dagegen würde auf sanfte Art ein neues Frauenbild propagieren und Emanzipation als Selbstverständnis präsentieren.
Ich kam also ins Grübeln. Nachdem ich die erste Ausgabe von einigen Glanzlichtern (Peaches!) abgesehen ziemlich schlecht fand, will ich dem Fräulein gern eine zweite Chance geben.
Die zweite Ausgabe des Fräulein ist schon im Sommer irgendwann erschienen. Das Cover präsentiert geschminkte Ungeschminktheit und eine Miezekatze - Tierchen kommen immer gut. Angekündigt wird ein bisschen Politik (Tschernobyl), ein bisschen mehr Mode (Cartier und Bademode) und ein bisschen Angelina Jolie. Außerdem jetzt "24 Seiten mehr". Mehr Platz für Werbung?! Auf die Idee kommt man jedenfalls, denn von den acht (!) Seiten Werbung vor dem Editorial haben die Heftmacher_innen auch bei der zweiten Ausgabe nicht abgesehen. Gut, irgendwie muss sich ein Magazin finanzieren. Aber unterschiedliche Frauen ansprechen wollen und die immer gleichen zeigen (dürr, unterkühlt) widerspricht sich doch irgendwie.
Laut dem Fräulein-Editorial sind wir in Deutschland bereits in einer "weitestgehend" gleichberechtigten Gesellschaft angekommen. Warum ausgerechnet das emanzipierte Fräulein dann die Biologie-Keule herausholt und in einem Artikel über Unisex-Mode über die Designerin visuell herausstellt "Als Schreinerin war sie körperlich zu schwach" ist mir ein Rätsel. Generell scheint das Körperliche eine große Rolle zu spielen. Zwei Seiten später heißt es über Anna Calvi "Ihre Hüftfehlbildung machte sie zur Musikerin" und noch ein paar Seiten später werden Sonnenbrillen von nackten Models präsentiert.
Und wenn es die Fräulein-Redaktion schafft, richtig coole Frauen ins Heft zu kriegen, vermasselt sie es irgendwie auch. Lykke Li wird dann im Teaser über einen Mann definiert, die Stärke suggerierende Alliteration "arrogant, anti und ablehnend" wird direkt zertreten, indem Lykke Li im folgenden Satz mit Verletztlichkeit charakterisiert wird. Frauen dürfen eben nicht einfach mal nur "arrogant, anti und ablehnend" sein - da muss direkt eine Entschuldigung hinterher geschoben werden.
Die beste Photostrecke in der zweiten Fräulein-Ausgabe ist wohl die mit den Handtüchern. Lookism kann man den Macher_innen hier nun wirklich nicht vorwerfen. Im Gegensatz zur Bikini-Reihe. Die Steigerung ist dann die Modestrecke "L.A. Story". Das Model Remy Holwick präsentiert teure Mode, erst eine Brust, dann zwei und schließlich ihren ("minus-")nackten, also vollrasierten Körper. (Erinnert irgendwie an Amanda Lepore von David LaChapelle photographiert. Aber da kam wenigstens was rüber, im Gegensatz zum Blankziehen hier.)
Und wenn es die Fräulein-Redaktion schafft, richtig coole Frauen ins Heft zu kriegen, vermasselt sie es irgendwie auch. Lykke Li wird dann im Teaser über einen Mann definiert, die Stärke suggerierende Alliteration "arrogant, anti und ablehnend" wird direkt zertreten, indem Lykke Li im folgenden Satz mit Verletztlichkeit charakterisiert wird. Frauen dürfen eben nicht einfach mal nur "arrogant, anti und ablehnend" sein - da muss direkt eine Entschuldigung hinterher geschoben werden.
Die beste Photostrecke in der zweiten Fräulein-Ausgabe ist wohl die mit den Handtüchern. Lookism kann man den Macher_innen hier nun wirklich nicht vorwerfen. Im Gegensatz zur Bikini-Reihe. Die Steigerung ist dann die Modestrecke "L.A. Story". Das Model Remy Holwick präsentiert teure Mode, erst eine Brust, dann zwei und schließlich ihren ("minus-")nackten, also vollrasierten Körper. (Erinnert irgendwie an Amanda Lepore von David LaChapelle photographiert. Aber da kam wenigstens was rüber, im Gegensatz zum Blankziehen hier.)
Und nach den ganzen Modestrecken mit den vielen bekannten Marken muss sich die junge, hippe Leserin (denn das ist der Adressatinnenkreis) doch verhöhnt vorkommen, wenn die Modedesignerin Sabina Schreder (die vom Cover) sagt "Viele Leute haben keinen eigenen Stil, sie hören zu sehr auf andere". Dass sie dann am Ende des Artikels noch ihre Must Haves präsentiert, bringt mich da fast schon zum Lachen.
Es folgen dann noch ein paar Frauen, die über Männer definiert werden (Coco Sumner über ihren Vater Sting, Jennifer Robinson über ihren Mandanten Julian Assange), eine wilde Angelina Jolie ("Brad Pitt steckt jetzt für immer in den Fängen der Sexkrake fest") und ein Käsekuchenrezept.
Nur, weil Männer mit Nagellack und Frauen mit Achselhaar gezeigt werden, hat man es hier noch lange nicht mit einem subversiven, emanzipativen oder gar feministischen Magazin zu tun.
Ich finde, dass bereits der Name sehr ungünstig gewählt ist..
AntwortenLöschenIst er ernst gemeint, oder ironisch? Egal ob so oder so, meiner Meinung nach einfach unpassend für eine Zeitschrift mit diesem Anspruch.
Ein Glück ist die Missy da ganz anders... NICHT. Das was Frau gerne zeigen würde und dann letzendlich auch tut, ist leider leichter Diskrepanz unterworfen. Unterm Strich finde ich beide gleich belanglos. Wer soviel gendert, dass er sich somit wieder ausgrenzt, macht eben auch keinen Sprung nach vorn.
AntwortenLöschenAaaahhh, danke! Was für eine Wohltat diese kluge Kritik zu lesen, wenn auch mit fast zweijähriger Verspätung.
AntwortenLöschenIch habe mir auf der Weihnachts-Heimfahrt die aktuelle Ausgabe geschnappt dem Bedürfnis nach seichter Unterhaltung folgend, wo man mehr schauen als lesen kann. Dabei hatte ich im Sommer schon geschworen dieses Heft nie wieder in die Hand zu nehmen, als eine Freundin es wiederum für eine Zugfahrt probeweise mitbrachte.
Von kritischen Auseinandersetzungen mit ausgesuchten Themen kann hier keinesfalls die Rede sein. Manche Sätze lesen sich eher wie deren Gegenteile, wenn beispielsweise eine Autorin die Fotos von Kanye Wests "Schwanz im Internet genauso heiß" wie seinen ersten großen Hit findet. Ist das also die heutige Definition von Emanzipation oder eben wie beim Fräulein 'softe Emanzipation', indem man den Spieß des sexualisierten Schauobjekts umdreht, also Geschlechterrollen einfach tauscht? Jetzt ist halt die Frau der Mann. Gehört dazu die Wahl eines Anti-Fräuleins, bei dem nichts anderes getan wird, als eine einzelne Frau in ihrem Sein und Tun an einer öffentlichkeitswirksamen Norm der sogenannten modernen, emanzipierten Frau zu messen? Da frage ich mich, ob das einfach naiver, schlechter Journalismus ist oder schlimmeres. Da kann auch ein solcher Zeitschriften-Titel, der wohl eine Wortbedeutung positiv umwerten möchte, die besonders im Nachkriegsdeutschland ein verbales Korsett für ledige Frauen war, auch ganz anders verstanden werden. Das Fräulein hat sich nicht nicht der einschnürenden Klischees entledigt, es hat sie nur gegen zeitgenössische eingetauscht.
Zum Glück gibt es, wie dein Beitrag zeigt, noch aufmerksame und kritische Leserinnen!
Danke für die Kommentare und Anmerkungen!
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