Donnerstag, 31. März 2011

MY DIY - Bernadette LaHengst

MY DIY ist nach dem Riot Grrrl-ABC eine neue Fortsetzungsrubrik auf differentneeds. Spannende Menschen werden über ihre Erfahrungen mit DIY und ihre Ideen dazu schreiben. 

Den Anfang macht die Sängerin Bernadette LaHengst. In den 1990ern bespielte sie mit ihrer Band Die Braut haut ins Auge die Bühnen dieser Welt. Inzwischen ist sie solo unterwegs, arbeitet bei vielen Projekten aber immer noch äußerst gern mit anderen Künstler_innen und Ideenmenschen zusammen. Dieser Text zu DIY ist schon 2008 entstanden. Bernadette hatte ihn ursprünglich für ein Zine geschrieben, was ich machen wollte. Das ist allerdings nie herausgekommen. Dann eben jetzt und hier: 

 
Photo: Bernadette Hengst und Pastor Leumund (2008)
"Erstmal das was es heisst: Do It Yourself! Das heisst, lass dir von niemandem, erzählen, was professionell und künstlerisch wertvoll ist, wie man sich am besten verkauft und in den Markt hinein passt. Sondern finde es selber heraus. Ob sich das dann verkauft und ob das wichtig ist für dein Leben, ist immer noch eine andere Sache, die man im Laufe seines Lebens herausfinden muss, aber das wesentliche ist, herauszufinden, was man mit seinem Leben machen will, also auch wie man das was man sieht und hört und erlebt, künstlerisch umsetzen will. Das fing bei mir damit an, daß ich nach 10 Jahren klassischem Klavierunterricht keine Lust mehr hatte, Kompositionen von anderen zu spielen und mir selber Gitarre spielen beigebracht habe, um auf andere Ideen zu kommen und um meinen Gesang damit zu begleiten. Dann hab ich Jahrelang in meiner Jugend Strassenmusik gemacht, meistens alleine und ohne viel know how. Ich hab mich ausprobiert, und damit meine Stimme und meinen Spass gefunden, auf Bühnen zu stehen und mit dem Publikum zu kommunizieren. Ähnlich dann mit meiner ersten Band Die Braut haut ins Auge. Unser Anliegen war es in erster Linie, zusammen Spass zu haben, eine Mädchen Gang zu sein in einer Männerdominierten Musikszene in Hamburg und dem Rest der Welt. Wir fingen gemeinsam mit drei Akkorden an, 1,2,3,4, los gehts. Als dann kein Indielabel unsere ersten Aufnahmen rausbringen wollte, weil wir in keine Schublade passten, brachten wir unsere erste Doppelsingle selber raus. Das war zwar viel Arbeit, aber wir haben dabei natürlich ganz viel gelernt... Kurz danach trafen wir unseren damaligen Produzenten, der uns unbedingt bei einem Majorlabel unterbringen wollte, so kamen wir zu BMG Ariola. Zeitgleich waren aber auch die Lassie Singers (die damals einzige andere Mädchenband) bei einem Majorlabel und die Indielabels (wie z.B. L`Age D`Or) fingen an mit Major Firmen zu kooperieren.

Photo von Rafal Wamka (2008
Wir hatten dort aber wieder das Problem, daß sie uns nicht einordnen konnten, weil wir nicht chartstauglich waren, aber auch nicht Punkrock, sondern irgendwo dazwischen standen. Also schlugen sie uns die absurdesten Dinge vor, um unsere Musik und unser Image verkaufsfähiger zu machen. Weil wir jedem dieser Angebote skeptisch gegenüber standen und uns ihren Strategien entzogen, galten wir als "schwierig". Nun ja, allerdings war die zeit auch noch nicht reif für deutschsprachige Popmusik mit eher anspruchsvollen und absurden Texten. Ich würde immer noch sagen, die Zeit hat uns/mir nicht geschadet, eher bewusster gemacht. Die letzte Live CD der Braut habe ich dann selber rausgebracht, wieder nach dem DIY Prinzip, mit viel mehr Wissen um die Strukturen im Musikgeschäft und natürlich mit dem Selbstbewusstsein, 10 Jahre eine Band wie die Braut haut ins Auge gehabt zu haben. Nach Auflösung der Braut fing ich dann an Solo aufzutreten und als dann Trikont (ein kleines, selbstbewusstes und unkorrumperbares Label) auf mich zukamen, war ich sehr froh, mich nicht mehr mit den Major Firmen, die ja mittlerweile fast alle fusioniert sind, rumärgern zu müssen. Gleichzeitig hab ich bei What`s So Funny About gearbeitet und mich mit Indieverkaufsstrategien beschäftigt, die zwar für die KünstlerInnen selbstbestimmter funktionieren, aber letztlich auch auf Verwertbarkeit abzielen, nur in anderen Medien und für ein anderes Publikum. In derselben zeit (ca. 1999 bis 2002) hab ich dann eine Booking Agentur für weibliche Musikerinnen gegründet, u.a. für die Flittchen Rec. (Label der ehemaligen Lassie Singers) Compilation “Stolz & Vorurteil” eine Tour mit 20 weiblichen Bands/Musikerinnen organisiert. 2003 hab ich mit 50 anderen Frauen zusammen  das erste deutsche Ladyfest in Hamburg organisiert, was wohl am meisten von der DIY Idee inspiriert war (und von der mittlerweile erwachsen gewordenen Riot Grrl Bewegung aus Amerika). Ein Jahr lang wurde diskutiert, organisiert, sich gestritten und gemeinsam im Basisdemokratischen Konsens (puh, es war manchmal sehr anstrengend) eine Form für unser 4-tägiges Festival gefunden. Das Ergebnis war überwältigend, wie ich finde, noch nie gab es in Hamburg so viele unterschiedliche Künstlerinnen verschiedenster Genres zu sehen und zu erleben. Für mich war es immer wesentlich, nicht nur auf den Mangel an weiblicher Kunst hinzuweisen sondern auf die Vielfalt, die  (meistens) im Untergrund brodelt. Durch die Sichtbarmachung und den Spass dabei muss es eine Veränderung im Bewusstsein geben. Das alles wurde ehrenamtlich von allen Beteiligten erarbeitet, und ich denke immer noch, daß es mit viel Geld nicht besser geworden ware, auch wenn es schön ware, wenn bisher unentdeckte (auch) weibliche Kunst mehr finanzielle Unterstützung fände. Aber die Frage ist natürlich auch, ob die grundsätzlich guten Ideen oder der Grundkern von unerhörten Ideen, Forderungen nach Veränderung, Wagnisse, Widersprüche nicht eher dort entstehen, wo kein Geld zu holen zu ist. Ich will nicht damit sagen, daß die ganze Kunst, die im Untergrund gemacht wird, nicht verdient, gut bezahlt zu werden, im Gegenteil, ich möchte, daß die schönsten und wagemutigsten KünstlerInnen nicht ihre Zeit auf den Arbeitsagenturen verbringen oder irgendwelche Scheissjobs machen müssen, die sie auffressen, aber ich glaube trotzdem, daß es Sinn macht, immer wieder Dinge zu tun, die keinen Profit versprechen. Und oft sind es diese Projekte, die die meiste Kraft haben. Und das hat viel mit dem DIY Prinzip zu tun. Mittlerweile mache ich viele Projekte, die gut bezahlt sind, entweder von Theatern oder staatlichen Fördergeldern oder Hörspiel-Radiosendern, aber was ich immer wieder merke, ist, daß ich nie wirklich weiß, was ich da tue, jedes neue Projekt fühlt sich an wie ein Neuanfang, ich fühle mich immer wieder wie eine Anfängerin, und darin liegt auch ein Reiz. Dennoch kann ich auf eine gewisse Erfahrung zurück greifen und natürlich auch auf ein Netzwerk von FreundInnen, KollegInnen, die zum grossen Teil aus diesem diffusen DIY Umfeld kommen, mittlerweile in ähnlichen Strukturen arbeiten, und die mich in neue Projekte, die sich auf ähnliche Art politisch-kulturell mit der Welt auseinander setzen, mit einbeziehen."

Willst Du mehr von Bernadette LaHengst? Dann schau doch mal hier.

Und als nächstes bei MY DIY? Robert von Bis auf's Messer/Zann

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