18 Prozent. Was für die FDP wohl immer unerreichte Utopie bleiben wird, ist für die Frauen in der Wissenschaft Wahrheit. Allerdings gibt es für sie keinen Grund, sich über die 18 Prozent zu freuen. Denn die 18 Prozent stehen für die Anzahl von weiblich besetzten Professuren in Deutschland.
Für Leute, die wie ich, eine Geisteswissenschaft studieren, mag das nach wenig klingen, sind in diesem Bereich doch relativ viele Frauen in hohen Positionen vertreten. Aber ein Blick in Institute jenseits der Germanistik etc. zeigt, dass dort vor allem Männer die Professuren besetzen. Und auch die Rektor_innenposten an deutschen Hochschulen werden laut EMMA vor allem von ihnen besetzt (89 Prozent).
Was also tun? Im aktuellen Dossier "Numera Claudia" in der EMMA wird die Uni aus verschiedenen (weiblichen) Perspektiven beleuchtet. Studentinnen unterschiedlicher Studiengänge kommen zu Wort, Wissenschaftlerinnen verschiedener Fachbereiche geben ihre Einschätzungen ab.
Die Studiengangswahl wird zum Beispiel diskutiert. Besser mal keine "typischen" Frauenfächer wie Literaturwissenschaften oder Gender Studies wählen. Frauen in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) seien besonders gefragt und dürfen sich über besondere Förderung freuen. Dieser Tipp kommt bei mir schon zu spät. Und irgendwie war es ja auch eine bewusste Entscheidung, nicht Mathe oder Biologie zu studieren, sondern Soziologie und Germanistik, jetzt Komparatistik/Kulturpoetik.
Wenn das Kind in Sachen Studiengangswahl aber einmal in den Brunnen gefallen ist, gibt es dennoch einige Strategien, nicht in die "Mädchenfallen" des Wissenschaftsbetriebs zu fallen, sagt jedenfalls Prof. Petra Gehring. Als eine von den 18 Prozent muss sie es ja wissen. "Keine Themenghettos. Keine halben Sachen.", heißt es da in der EMMA-Überschrift. Frauen in Studium und Wissenschaft sollten sich demnach vor "Frauenthemen" in Acht nehmen. "Forschung muss nicht Frauen oder das Frausein zum Thema haben, um 'feministisch' zu sein." Eine Etablierung im wissenschaftlichen Diskurs kann zwar schon über Themen funktionieren, welche die Forscherin spannend findet - und das sind bei mir etwa oft solche, mit Genderperspektive - allerdings sollte dabei das große Ganze nicht aus den Augen verloren werden.
Auch wichtig, und ich dachte, das verstünde sich von selbst, wird aber im EMMA-Dossier an verschiedenen Stellen thematisiert: Engagement. Keine halben Sachen eben. Besonders Prof. Christiane Nüsslein-Volhard (Nobelpreisträgerin, institutionalisiert in Tübingen) klagt über Nachwuchsprobleme, aufgrund von fehlendem Biss. Wer also in Sachen Entwicklungsbiologie Ambitionen hat und eine Frau ist: Sie vergibt regelmäßig etwas merkwürdige Stipendien (für Mütter zahlt sie die Putzhilfe...).
Was gibt es sonst noch so im Dossier? Eine Hochbegabte, die Vereinbarkeit von Familie und Studium/Job an der Uni, wissenschaftliche Pionierinnen, Studium im Alter und spezielle Frauenstudiengänge.
Wie sich all die Tipps und Infos im universitären Alltag nutzen lassen, muss individuell abgeschätzt werden. Wenn es etwa heißt "Frauen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt", heißt das noch lange nicht, dass damit ein Schritt in Richtung Gleichstellung getan ist. Was heißt schließlich "gleiche Qualifikation"? Wenn die Frau nicht gewollt ist, wird sich immer ein Argument finden, warum doch dem männliche Mitbewerber eine Zusage erteilt wird.
Politische Instrumente zur Förderung der Gleichberechtigung zeigen dennoch erste Erfolge: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bestimmt etwa, dass vor allem solche Projekte Förderung erhalten, die ein Gleichstellungskonzept mit einbeziehen. Und auch die Professorinnenprogramme der Länder und des Bundes sollen die Universitäten motivieren, sich für Gleichstellung zu engagieren. Über kurz oder lang wird es dann hoffentlich Alternativen geben, die jenseits der zwei Pole männliches Verhalten adaptieren oder Frauenstudiengang befinden.
Spannendes, vielseitiges Dossier - allein dafür haben sich die fast zehn Euro für die EMMA schon gelohnt. Einen Online-Überblick über das Dossier sowie die weiteren Themen der aktuellen Ausgabe gibt es hier.
Das Dossier machte für mich etwas den Eindruck, als wäre es unfeministisch, "Frauenfächer"/Geisteswissenschaften zu studieren und man würde dem Vorankommen der Frauen nur dann adäquat dienen, wenn man in Männerdomänen vorprescht. Das find ich einfach enttäuschend, denn es gibt nun mal genug Frauen, die tatäschlich keine Begeisterung für solche Fächer entwickeln. Ob das jetzt durch gewisse Sozialisierungsmechanismen zustandekommen muss, sei mal dahingestellt, aber es ist halt ne Lebensrealität und dafür sollte man nicht so abgeurteilt werden. Im Umkehrschluss bin ich natürlich aber trotzdem total dafür, Frauen für Naturwissenschaften zu begeistern. Nur, wenn's halt nich is, muss man nichts "tieferes" reininterpretieren.
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