Ist von Autorschaft und Geschlecht
die Rede, so geht es besonders um die Sichtbarmachung von Frauen in der
Literatur, Autorinnen also. Was aber immer mitschwingt, ist der Diskurs um die
Leserin sowie letztlich auch um die Literaturwissenschaftlerin.
Von einer
postgender-Debatte, wie sie derzeit in den Medien geführt wird, sollte hier nicht die Rede sein. Nachdem die Literatur von
Frauen so lange wenig bis unbeachtet geblieben ist, wird die Forderung nach einer
Beachtung selbiger spätestens ab den 1970er Jahren laut. Die Kategorie
„Geschlecht“ zur Einordnung von Literatur erfährt berechtigte
Aufmerksamkeit.
Und das, obwohl Roland Barthes erst 1968 den "Tod des Autors" ausgerufen hatte und stattdessen dem Text mehr Aufmerksamkeit widmen wollte.
Und mit ihm waren sich viele Poststrukturalist_innen einig, wenn sie die Forderung auch mit Abstufungen versahen. So fragte Michel Foucault anstatt sich der Proklamation des Autorentodes anzuschließen lieber "Was ist ein Autor?" und forderte eine weitere Reflexion. Dennoch... über Jahre tritt die Autorpersona fortan in den Hintergrund.
Eine Tatsache, die wiederum feministische Literaturwissenschaftler_innen hinterfragen. So zum Beispiel Nancy K. Miller in ihrem Aufsatz "Change the Subject". Sie
verortet sich als dem Poststrukturalismus durchaus zugewandt und kennt natürlich Roland Barthes' Argumentation. Miller folgert: Eigentlich hätte die feministische Literaturtheorie den Tod des Autors
positiv aufnehmen müssen. „Es ist schließlich der Autor, der – in Anthologien
aufgenommen und institutionalisiert – durch seine (kanonische) Präsenz die
weniger bekannten Werke von Frauen und Minderheiten-Schriftstellern ausschließt
und der durch seine Autorität deren Ausschluss rechtfertigt.“[1]
Das Problem ist allerdings ein ebenso einfaches, wie schwerwiegendes: Wenn
nicht über den Autor gesprochen wird, wird auch über die Autorin geschwiegen.
Miller kritisiert, dass Barthes einen Leser fordert, der „ein Mensch [ist] ohne
Geschichte, ohne Biographie, ohne Psychologie“[2],
dann kann er weder männlich, noch weiblich sein. Auch hier findet also keine
Sichtbarmachung von Frauen statt. Ein Problem, dass auch andere Frauen vor Miller verbalisiert haben. Wie zum Beispiel Adrienne Rich, die Miller in ihrem Aufsatz mit folgender Geschichte zitiert:
"Heute
wird viel über den Einfluss gesprochen, den die Mythen und die Bilder von Frauen
auf uns alle haben. Die wir Produkte der Kultur sind. Ich glaube, dies ist ein
typisches Dilemma für das Mädchen oder die Frau, die versucht zu schreiben, da
sie besonders empfänglich für Sprache ist. Auf der Suche nach ihrer Stellung in der Welt wendet sie
sich der Lyrik oder der Erzählliteratur zu, da sie eifrig nach Modellen,
Mustern, Möglichkeiten Ausschau hält; und immer wieder [...] stößt sie auf
etwas, das all dies zunichte macht, wodurch sie sich definiert: Sie trifft auf
das Bild einer Frau in Büchern, die
von Männern geschrieben wurden. Sie stößt auf einen Schrecken und einen Traum,
ein hübsches blasses Gesicht, sie findet La Belle Dame Sans Merci, sie findet
Julia oder Tess oder Salome,
was sie jedoch eben nicht findet, ist dieses versunkene, schwer arbeitende,
verblüffende, manchmal inspirierte Wesen, sie selber, das an einem Schreibtisch
sitzt und versucht, Wörter zu verbinden."[3]
Anhand dieser Textstelle
markiert Miller ein schwerwiegendes Problem für die lesende und schreibende
Frau: um den „Wunsch nach einem Platz im Diskurs der Kunst und einer Identität“[4]
erfüllen zu können, sind Vorbilder nötig, die im bisherigen Kanon fehlen.
Bisher waren es vor allem Männer, die Frauenfiguren geschaffen haben und diese
Figuren zeichnen sich vor allem durch Schwäche und Machtlosigkeit aus.
Und das liegt nicht etwa daran, dass es keine Autorinnen gäbe. Frauen schreiben und haben eigentlich auch schon immer geschrieben. Aufgrund gesellschaftlicher Konventionen konnten sie allerdings nicht publizieren. Einige schafften es trotzdem unter männlichen Pseudonymen oder im Namen ihrer liberalen Brüder oder Männer. So hat es zum Beispiel Dorothea Schlegel gemacht. Ihr Roman "Florentin" (1801) erschien unter dem Namen ihres Mannes Friedrich Schlegel.
Inzwischen hat die Literaturwissenschaft einiges aufgearbeitet. Es gibt neuere Aufsätze zur Aufarbeitung weiblicher Autorschaft[5], etymologische Untersuchungen zum Autorschaftsbegriff[6] und die Versuche, einen Frauen-Literatur-Kanon zu etablieren[7].
Es gibt epochenübergreifend nach wie vor zahlreiche Autorinnen zu entdecken und zu edieren. Dies geschieht bisweilen mit kuriosen Mitteln. So finanzieren die Herausgeberinnen der Hedwig Dohm Edition ihr Projekt zum Beispiel mit szenischen Lesungen (der Wissenschaftlerinnen selbt gemeinsam mit einem Schauspieler).
Und letztlich ist es in der Literatur(wissenschaft), wie in so vielen Bereichen: Eine Sichtbarmachung von Frauen in der Literatur, ob als Autorin, Leserin oder Wissenschaftlerin ist wünschenswert. Der Gefahr, Frauen durch eine „Sonderbehandlung“ wiederum
ein Stigma zu verpassen, muss bedächtig begegnet werden.
[1] Nancy K.
Miller: Wechseln wir das Thema/Subjekt. Die Autorschaft, das Schreiben und der
Leser. In: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko
(Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000. S. 251-274.
[4] Miller: 259.
[5] Siegrid Nieberle: Rückkehr einer
Scheinleiche? Ein erneuter Versuch über die Autorin. In: Fotis Jannidis,
Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur
Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999. S. 255-272.
[7] Siehe etwa: Anne Bollmann (Hg.): Ein Platz für
sich selbst. Schreibende Frauen und ihre Lebenswelten (1450-1700). Frankfurt am
Main 2011, Hiltrud Gnüg und Renate Möhrmann (Hgg.): Frauen Literatur
Geschichte. Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart 2003 oder Carola Hilmes: Skandalgeschichten. Aspekte einer Frauenliteraturgeschichte.
Königstein/Taunus 2004.
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