Neulich auf einer Show. Eine Bekannte sitzt mit ihren Leuten vorm Venue. Kommt ein Typ. Setzt sich neben sie. Sagt "Hey - I play in a band." Er sagt nicht "Hey - how do you like the show so far?", und er sagt nicht "Hey - nice day. How are you?" Er sagt "Hey - I play in a band." Die Bekannte gibt dem besagten Menschen schnell zu verstehen, dass er so gar nicht erst mit ihr sprechen braucht. Gut so.
Nicht gut, dass solche Situationen immer wieder vorkommen. Als ob Mädchen und Frauen nur auf Hardcore- und Punkrockshows gehen, um Jungs und Männer aufzureißen. Oder vielmehr aufgerissen zu werden. Nein, das ist nicht so. Dennoch ist dieses sexistische Gebahren, welches viele sicher gar nicht als solches identifizieren, allgegenwärtig.
Ich stehe am Plattendistro, ein mir unbekannter Typ kommt und stellt sich neben mich. Ich schau die Platten durch. Er hält mir eine unter die Nase - "Die ist gut." Als würde er davon ausgeben, dass ich keinen eigenen Geschmack habe. So jedenfalls meine Lesart der Situation.
Noch so eine spannende Sache: Wenn Frauen dann auf dem Flyer hervorgehoben werden à la "female fronted band". Das ist positiver Sexismus. Da mag manch einer denken "Die hat doch jetzt ein Rad ab", ist aber so.
Übrigens vom Archiv der Jugendkulturen verlegt |
Punk und Hardcore ist eben "Not Just Boys' Fun", wie schon 7 Seconds zu recht festgestellt haben. Einen ganz netten Aufsatz zum Thema hat Marion Schulze geschrieben (Not Just Boy's Fun. Mädchen im Hardcore. In: Gabriele Rohmann (Hrsg.): Krasse Töchter. Mädchen in Jugendkulturen. Berlin 2007. S. 91-105.) . Sie mischt hier pädagogisch-soziologische Ansichten mit ethnographischen Beobachtungen. Für Menschen, die sich in der Szene bewegen, wirken die Ausführungen zur Szene zum Teil verkrampft. Dadurch, dass Schulze aber versucht, einen theoretischen Überbau zu formulieren, wird ihr Anspruch deutlich, nicht (ausschließlich) den Szeneaktivist_innen gerecht zu werden, sondern der Wissenschaft.
Sie beschreibt dann zum Beispiel das Konzept der "gendered substructure" (95) von Joan Acker, welches besagt, "dass Organisationen [in diesem Fall die HC-Szene] nicht gender-neutral, sondern auf eine tief eingebundene Substruktur von Geschlechterunterschiede[n] aufgebaut sind." (ebd.) Geschlechterdifferenzen werden reproduziert und damit in der Szene etabliert.
Den Ablauf von Konzerten versucht Schulze anhand eigener Beobachtungen (etwa einer Bulldoze- und einer Cro-Mags-Show) zu beschreiben und nutzt wiederum diese Beschreibungen um hervorzuheben, dass die aktiven Frauen immer als das Andere stigmatisiert werden (97). "Bourdieu nennt dies die "ernsten Spiele des Wettbewerbs" [zitiert wird hier der Aufsatz "Die männliche Herrschaft" in: Irene Dölling und Beate Krais (Hrsg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis. Frankfurt a.M. 1997. S. 203], in denen Männlichkeit unter Männern hergestellt wird." (98)
Schulze verschweigt aber nicht, dass es unter den Showbesucherinnen wohl auch tatsächlich solche gibt, die als "coatracks" dienen. Die Autorin zitiert in diesem Zusammenhang Connell und nennt diese Mädchen "Komplizinnen ihrer eigenen Unterdrückung" (99). Trifft es gut, finde ich. Dass aber auch viele Jungs und Männer nur Mitläufer sind, die auf Shows gehen, weil ihre Freunde das tun, sei in der Szene selten ein Thema.
Die Autorin, welche zum Thema promoviert, hebt in einem weiteren Schritt hervor, dass Mädchen allerdings nicht nur die Opfer eines männlich-dominierten Systems seien, "sondern selbst an der Konstruktion von Geschlecht mitwirken" (100), und zwar sowohl in Form von Reproduktion als auch Umkehrung, Erweiterung etc. Sie resümiert, dass es genau zwei Strategien für Mädchen im Hardcore gäbe: Einerseits die Forderung nach Emanzipation als Frau innerhalb der Szene, andrerseits die Verdrängung der Kategorie Gender aus dem Denken.
Letzteres würde sicher schwierig. Wäre ja trotzdem schön, wenn so Sprüche wie "I play in a band" weniger und Frauen in der Szene selbstverständlicher würden.
Sie beschreibt dann zum Beispiel das Konzept der "gendered substructure" (95) von Joan Acker, welches besagt, "dass Organisationen [in diesem Fall die HC-Szene] nicht gender-neutral, sondern auf eine tief eingebundene Substruktur von Geschlechterunterschiede[n] aufgebaut sind." (ebd.) Geschlechterdifferenzen werden reproduziert und damit in der Szene etabliert.
Den Ablauf von Konzerten versucht Schulze anhand eigener Beobachtungen (etwa einer Bulldoze- und einer Cro-Mags-Show) zu beschreiben und nutzt wiederum diese Beschreibungen um hervorzuheben, dass die aktiven Frauen immer als das Andere stigmatisiert werden (97). "Bourdieu nennt dies die "ernsten Spiele des Wettbewerbs" [zitiert wird hier der Aufsatz "Die männliche Herrschaft" in: Irene Dölling und Beate Krais (Hrsg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis. Frankfurt a.M. 1997. S. 203], in denen Männlichkeit unter Männern hergestellt wird." (98)
Schulze verschweigt aber nicht, dass es unter den Showbesucherinnen wohl auch tatsächlich solche gibt, die als "coatracks" dienen. Die Autorin zitiert in diesem Zusammenhang Connell und nennt diese Mädchen "Komplizinnen ihrer eigenen Unterdrückung" (99). Trifft es gut, finde ich. Dass aber auch viele Jungs und Männer nur Mitläufer sind, die auf Shows gehen, weil ihre Freunde das tun, sei in der Szene selten ein Thema.
Die Autorin, welche zum Thema promoviert, hebt in einem weiteren Schritt hervor, dass Mädchen allerdings nicht nur die Opfer eines männlich-dominierten Systems seien, "sondern selbst an der Konstruktion von Geschlecht mitwirken" (100), und zwar sowohl in Form von Reproduktion als auch Umkehrung, Erweiterung etc. Sie resümiert, dass es genau zwei Strategien für Mädchen im Hardcore gäbe: Einerseits die Forderung nach Emanzipation als Frau innerhalb der Szene, andrerseits die Verdrängung der Kategorie Gender aus dem Denken.
Letzteres würde sicher schwierig. Wäre ja trotzdem schön, wenn so Sprüche wie "I play in a band" weniger und Frauen in der Szene selbstverständlicher würden.
Ich habe mit den Forgetters genau über das Thema geredet. Es ist wirklich erschreckend, was sich einige Menschen immer noch rausnehmen. Da geht es dann eher so: "Du hast das ganz gut gespielt, aber versuch es doch mal so und so." Ich bin mir sehr sicher, daß Typen so was eher selten bis gar nicht zu hören bekommen. Laße mich aber auch gern eines Gegenteils belehren.
AntwortenLöschenHast du das forgetters-Interview schon verschriftlicht? Ich würde es gern komplett lesen und nicht nur in der gekürzten Ox-Fassung!
AntwortenLöschenWenn ich es gemacht habe, laß ich es Dir zukommen. Allerdings brauche ich es nicht erst vor nächsten Monat gemacht zu haben. Pro Ausreizung der Deadline! :D
AntwortenLöschenoh boy, Jungs gehen also tatsächlich am Wochenende raus um Mädchen kennenzulernen und wagen es diese dann auf die ein oder andere, mal mehr, mal weniger plumpe art anzusprechen...
AntwortenLöschenund darüber muß jemand promovieren?
der "I play in a band"- Typ wollte mit deiner Freundin ins gespräch kommen, genau wie der plattenladen-kerl mit dir, um dich bzw deine freundin kennzulernen, weil er dich/sie hübsch/interessant/etc fand.
Das war ein Kompliment.
Und in einer subkulturellen "Szene" tummeln sich nun mal in erster linie junge Menschen, die, wenn sie single sind, sicher auch innnerhalb ihrer Szene jemanden kennenlernen wollen der ihrern Präferenzen entspricht
und das heißt eigentlich immer und auch bei den krass-linken-straight edge affinen Hardcorelern , das nach Geschlecht unterschieden wird.
Klingt komisch, ist aber so.
"Wenn Frauen dann auf dem Flyer hervorgehoben werden à la 'female fronted band'. Das ist positiver Sexismus."
AntwortenLöschenTja, weiß nicht: Affirmative action, in dem Fall: Sichtbarkeit von FrauenLesben in der Szene ist ja erst einmal nicht schlecht.
Eher auffällig finde ich, daß ich bisher nur "female fronted" gesehen habe und niemals "female drummer".
Außerdem: Eine von drei oder vier Band-Mitgliedern ist auch nicht gerade viel...
Anonym, das heißt dann also, dass ich nicht auf eine Show gehen darf, ohne damit rechnen zu müssen, plump angemacht zu werden? Weißt Du, eigentlich gehe ich auf die Shows, weil ich sie meistens als Freiraum empfinde, der eben nicht so funktionieren soll, wie das große Ganze. Wo es eben egal ist, ob ich eine Frau bin oder nicht, weil es um die Musik geht und im Idealfall um ähnliche Ideen vom Leben. Und da ist eine Show eben kein Emopunk/Hardcoreflirt-Board.
AntwortenLöschenTaP, ja, diese Lesart habe ich noch nicht in Betracht gezogen. Danke für den Hinweis.
danke für den artikel
AntwortenLöschenvon männlichen lebewesen in hc-punk szene kann ich einiges aufgrund von banderfahrung aufzählen. von leuten die einen gleich mal die amps einstellen wollen, zeigen wollen wie wir besser unserer instrumente spielen, schlagzeugunterricht anbieten, sagen wir sollen doch lieber singen, dass ist viel schöner...alles menschen die wir den abend als wir gespielt haben erst kennen gelernt haben ^^
und ja ich kenne genug bands mit männlicher besatzung, die nicht mit so einem beschützerinstinkt konfrontiert werden.
ich halte es für mich mit strategischen essentialismus. sexistische strukturelle scheiße muss benannt werden und für die stärkung bestimmter meinungen ist es leider nötig, sich in identitätszuschreibungen stark zu machen.
um ua. sichtbar zu machen, was alles nur lippenbekenntnisse und zum chic einer szene gehört...ach so antisex. antirass. zu sein. eine weiße heterosexuelle "mittelstands" - szene, die von reflektion eigener privilegien nicht viel weiß und von der unterdrückung anderer "profiliert"
ich würde die sichtbarmachung übrigens auch gern anders herum sehen: male-band. würde niemand auf die idee kommen, weil weiß, hete, männlich eine norm darstellen und alles andere daran gemessen wird.
AntwortenLöschenich bin es teilweise schon leid immer nur von frauen zu reden, die wenigen, die sollen "nach vorn kommen", die sollen mit machen.
reden wir mal über männlichkeit, selbstreflektion, welche perfermanzen sind erlaubt-priviligiert (hegemoniale männlichkeit) und welche nicht. was schaffen welche verhaltensweisen für inklusion und exklusion.
@anonym:
AntwortenLöschenbevor du dich in kommentarspalten von blogs zu dingen äußerst, solltest du eventuell einmal darüber nachdenken, was denn von dem blogger/der bloggerin gerade der zu kritisierende punkt ist.
sicherlich ist es in ordnung, wenn man auf shows, in clubs etc. mit der intention des kennenlernens angesprochen wird.
es geht bei der beschriebenen situation und der ansprache des "Hi. I'm playing in a band" aber vielmehr um eine Kritik am unreflektierten männlich-dominanten Verhalten.
Das hier Formulierte soll eine Aufforderung darstellen, sich mit seinem eigenen konstruierten Geschlechts-Verhalten auseinanderzusetzen und sich zu fragen, mit welchen Verhaltensweisen/Anmachen etc. man Geschlechtskonstruktionen weiter unterstützt.
Das die geschilderte Anmache dies tut bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung mehr.
Dass es gerade in einer Szene wie der Hardcore-Punk Szene, welche für viele eben einen Freiraum darstellt, immer wieder zu unreflektiertem Gebahren kommt, ist ein zu kritisierender Punkt.
Das sollte mit dem Beispiel getan werden und nicht ein Verbot ausgesprochen werden, sich nicht mehr gegenseitig anzusprechen!
Mehr Frauen sollten auf Sprüche wie "ich spiele in einer Band" antworten können: Ja und? Ich auch. Ich habe mal in einer Punkrock-Band gespielt, was zwar noch nicht zu einer Subkultur gehört. Trotzdem war ich meistens die einzige Frau auf der Bühne. Ich frage mich woran das liegt? An Ausgrenzung sicher nicht, ich hörte immer nur positives. Oder vielleicht genau daran, dass Frauen im Sinne von "wow cool du bist eine Frau und spielst in einer Band!!" herausgestellt werden wollen? Mich hat diese Hervorhebung genervt, aber man kann es ja nur ändern indem möglichst viele Frauen mitmachen, so dass Frau-sein in einer Band nichts ungewöhnliches mehr ist.
AntwortenLöschenkorrektur: NICHT herausgestellt werden wollen
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