Freitag, 17. September 2010

Die verlorene Ehre der Katharina Blum von Heinrich Böll

Die Medien wie sie im Buche stehen? 

In der Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" werden die schicksalhaften Tage der Hauswirtschafterin Katharina Blum skizziert. Sie verliebt sich an Karneval in einen Kriminellen und verhilft ihm nach einer gemeinsamen Nacht zur Flucht.

Die 58. kleinen Kapitel der Erzählung sind jeweils aus ein und derselben Erzählerposition geschrieben. Verschiedene Quellen werden für die Darlegung des Falles Katharina Blum herangezogen. Polizeiberichte, Zeitungsausschnitte, Gesprächsfetzen. Zwar ist der Erzähler stets darauf bedacht, Neutralität und unbedingte Sachlichkeit zu betonen, fällt hier aber häufig aus der Rolle.

Sprachlich ist die Erzählung einfach gehalten, variiert aber je nach zitierter Quelle. So kommt es, wenn nach Polizeiberichten zitiert wird zum Beispiel zu numerischen Aufzählungen, wenn ein Zeitungsartikel zitiert wird zu zeitungstypischen Formulierungen - "Fortsetzung von Seite 1".


Nachdem die Protagonistin Katharina Blum ihrem nächtlichen Begleiter Ludwig Götten zur Flucht verholfen hat, ist nichts in ihrem Leben wie vorher. Die Boulevardmedien - in Form der "ZEITUNG" - fallen über sie her. Sie machen von ihrer Definitionsmacht Gebrauch. 
Von nun an ist sie nicht mehr die disziplinierte und gewissenhafte Hauswirtschafterin mit dem Spitznamen "Nonne". Von nun an ist sie das "Nüttchen", das "Räuberliebchen", die "Mörderbraut".

Jeden Tag finden sich in der "ZEITUNG" neue Details aus Katharina Blums Leben. Dass diese Details zum Teil auf verdrehten Interviews mit Verwandten, auf missdeuteten Aussagen der Blum selbst oder auf reiner Spekulation beruhen, weiß Katharina und weiß ihr Umfeld, nicht aber die Öffentlichkeit. So sieht sie sich von nun an mit anzüglichen Drohanrufen und mahnender Post konfrontiert. Der Druck auf Katharina Blum steigt.

Und auch ihr Umfeld bleibt nicht verschont. Als Hauswirtschafterin hat sie vor allem in den sogenannten gehobenen Kreisen der Gesellschaft gearbeitet, bei Staats- und Rechtsanwälten zum Beispiel, die ihrem unschuldigen Charme wohl nie so ganz widerstehen konnten. So wird Katharinas Schicksal zum Spielball der Mächtigen, die stets darauf bedacht sind, ihren eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und nicht mit den Fällen Götten und Blum in Verbindung gebracht zu werden. 


Quelle: dtv
Die Erzählung gipfelt schließlich in einem Mord. Katharina Blum ermordet den Reporter Tötges, der federführend für die ZEITUNG über ihren Fall geschrieben hat, sie zu dem gemacht hat, was sie öffentlich nun ist: "Nüttchen", "Räberliebchen", "Mörderbraut". Das ihm letzteres selbst zum Verhängnis werden könnte, hat er wohl in seinen sensationslustigsten Träumen nicht gewagt zu denken.
Katharina Blums Charakter wird während der gesamten Erzählung nicht so ganz nachvollziehbar. Das Bild, welches sich die Leser_innen machen können, beruht auf den zitierten Zeitungsartikeln, den erwähnten Gesprächsfetzen und den Einschätzungen des Erzählers. Letztlich scheint es aber schon so zu sein, dass Katharina Blum den Mord in Kauf nimmt und dem Gefängnis sogar etwas Positives abgewinnen kann. Das Gefängnis dient ihr als Schutzhort vor der skrupellosen Mediengesellschaft.







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen