Es ist jedes Mal erfreulich, Magazine zu entdecken, die normative Grenzen aufbrechen, erweitern. Zeitschriften, die nicht dem 08/15-Schema entsprechen und eher eine Nische besetzen. Magazine, hinter denen engagierte Menschen mit Idealismus stehen. Und wenn diese Zeitschriften dann noch im Bahnhofsbuchhandel zu bekommen sind und nicht umständlich abonniert werden müssen, oder nur in ausgewählten Buchläden in Metropolen, oder bei Zine-Distros in der Provinz zu bekommen sind, macht es das Projekt gleich noch schöner, weil irgendwie barrierefreier.
Und so könnte Die Preziöse ein neuer Stern am Zeitschriftenhimmel werden. Der Untertitel verspricht ein "queeres Gesellschaftsmagazin". Ein Versprechen, dass der Inhalt durchaus hält. Auf 112 Seiten präsentieren die Macher_innen eine heterogene Themenvielfalt, die sich schriftlich, photographisch und gestalterisch im weitesten Sinn mit - ja, klar! - queeren Gesellschaftsthemen auseinandersetzt.
Mit DIY-Ethos und Crowdfunding-Support ist innerhalb eines halben Jahres also die erste Ausgabe des "Projekts Preziöse" erschienen. Und herausgekommen sind viele spannende Beiträge von divergierender Qualität und unterschiedlichem Anspruch. Ein buntes Heft also!
Basis-Gedanken, wie solche über gendersensible Begrifflichkeiten und Schreibweisen, Erfahrungsberichte über Transsexualität, Asexualität und lesbisches Familienleben in der Provinz, Photoprojekte zu Männlichkeit, Weiblichkeit und Fußball, Musikkritiken, Filmbesprechungen und Buchrezensionen - das sind unter anderem Themen der ersten Ausgabe. Die Texte sind von Anfänger_innen und Fortgeschrittenen verfasst. Zum Teil eher unbeholfen formuliert, leider bisweilen nicht ausreichend korrigiert und dann wieder richtig schön geschrieben... Die Preziöse versteht sich als work in progress, als "Entwicklungsroman", wie die Macher_innen im Editorial verraten. Und so muss die erste Ausgabe auch nicht perfekt sein. Im Grunde ist es ja die Vielfalt der Stimmen, die dieses Projekt ausmacht.
Neben sehr offenen und persönlichen Texten über individuelle Schicksale, die sicher stellvertretend für viele stehen können, gibt es auch sehr sachliche Beiträge, die zum Teil in Die Preziöse ihre Zweitveröffentlichung erfahren. So bekommen Leser_innen in juristischem Sprech Einblick in den Stand der Dinge zum Adoptionsrecht von Lebenspartnerschaften und in poststrukturalistischer Manier liest die Leserschaft von der "Dekonstruktion der Homosexualität". Die Texte verweisen mitsamt ihrer Fußnoten auf ganze Diskurse und evozieren fast schon eine weitergehende Beschäftigung mit den komplexen Themen.
Auf den ersten Blick weniger komplex muten die abgedruckten Photoprojekte und eine Modestrecke an. Die Bilder sind jeweils in guter Qualität abgedruckt und machen beim Betrachten wirklich Spaß. Das ist leider nicht bei allen Illustrationen der ersten Preziösen der Fall. Teilweise sind die Photos, die die Texte begleiten, stark verpixelt. Schade!
Ein paar "klassische" Magazinelemente haben sich die Macher_innen nicht nehmen lassen. Ein Horoskop und ein Rätsel gegen Ende nehmen alle Zeitschriften, die sowas ernst meinen, auf die Schippe.
Das Layout ist übrigens ebenso heterogen, wie die Texte. Es erinnert mit den verschiedenen Typographien und eingestreuten Schnipseln an ein Zine, das den Weg zum Hochglanzmagazin gewählt hat. Glänzend und clean ist Die Preziöse aber glücklicherweise nicht. Das Papier ist eher grob und fasst sich schön an. In der ersten Ausgabe gibt es außerdem erfrischend wenig Werbung. Aus finanzieller Sicht ist den Macher_innen natürlich zu wünschen, dass sich das ändert.
Ich habe die erste Ausgabe mit großem Interesse gelesen und bin gespannt, wie es mit der Preziösen weitergeht. Die Redaktion freut sich übrigens über Unterstützung, wie es im Heft betont wird. Text- und Bildvorschläge sind wohl gern gesehen.
Klingt interessant. Werd mal in der Bahnhofsbuchhandlung hier in Ms danach Ausschau halten... ;)
AntwortenLöschenWas kostet denn die Zeitschrift (oder hab ich das überlesen?)
Glatte fünf Euro kostet das Magazin.
AntwortenLöschenEvozieren? Iwie fällt die blattkritik da in Wissenschaftsbabble -kann man den satz vielleicht omafreundlich(sofern die oma nicht grad Wissenschaftlerin is)
AntwortenLöschenDas würde denk ich allen zu gute kommen wenn man den besser und flüssiger verstehen kann
Ja, gut möglich, dass ich hin und wieder zu "Wissenschaftsbabble" neige und es stimmt sicher, dass ich damit (unbewusst) Leser_innen ausschließe. Das tut mir Leid. In diesem Zusammenhang finde ich es aber durchaus angebracht, da ich mich speziell in diesem Absatz mit dem "Wissenschaftsbabble" der Preziösen auseinandersetze, dem Gegenstand also sicher gerecht werden.
AntwortenLöschenDennoch hier die "omafreundliche" Formulierung ;)
Die in wissenschaftlicher Sprache nach wissenschaftlichen Gewohnheiten verfassten Texte ermöglichen und verlangen durch ihre Verweise eine weitere Beschäftigung mit den komplexen Themen.
Ich hoffe, der Rest der Besprechung hat Dir gefallen/ist nicht zu sehr Wissenschaftsgebabbel.
Danke für Deine Kritik!
danke, das war angenehmer zu verstehen. Ich kann das nachvollziehen, ich komme aus richtung naturwissenschaften-es ist schwer wenn man so geistig drin ist zu denken, dass andere das was man da schreibt vielleicht nicht einfach so verstehen können. Daher finde ich diese oma-regel super-immer wenn ich versuche, jemandem was aus dem bereich zu erklären denke ich-würde meine oma, würde mein opa oder würde mein junger cousin das auch verstehen?
AntwortenLöschenwenn ja, dann ist die erklärung gut. :]
entschuldigung, aber das wort heißt "schIppe"
AntwortenLöschenJa, tatsächlich. Danke, ändere ich mal.
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