Montag, 22. November 2010

Das neue Magazin "Fräulein" - Name: Hui. Rest: Pfui!



Gestern habe ich im Bahnhofsbuchhandel das neue Magazin "Fräulein" entdeckt, zwei Euro investiert und das Hochglanz-Heftchen mitgenommen. Das Titelbild wirbt mit Texten zum Körper, Schnittmustern und einem Interview "über dumme Anmachen, Weiblichkeit, Leidenschaft und die zeitgenössische Lady", könnte also von Interesse sein.

Nach acht Seiten Werbung (!!!) - endlich das Editorial. Hier: die Betonung von Liebe und Hingabe für das Projekt "Fräulein". "Fräulein ist eine Mischung aus klassischem Frauen-Magazin und Fanzine." Meine Neugier ist geweckt. Nach dem Werbeüberfall hoffe ich das beste und blättere weiter. Drei weitere Werbeseiten. Es sei noch gesagt, dass es sich hierbei immer um Top-Modelabels handelt (Escada, Jil Sander, Filippa K). 

Dann: das Inhaltsverzeichnis. Nicht wirklich übersichtlich, muss es aber auch nicht sein. Illustriert von Tina Berning ist es aber sehr hübsch. Mein Blättertempo erhöht sich. Anders ist die viele Werbung kaum zu ertragen. Ich bleibe auf einer Seite hängen, die im Grunde auch nichts anderes ist als Werbung. Der Warenfetisch in seiner schönsten Form: hippe Taschenempfehlungen, "herzige" Babyschuhe, Design-Klappbetten... alles wiederum begleitet von Illustrationen und als solche auch schön anzusehen. Aber, aber - es bleibt Werbung. Die Textversatzstücke, die sich dazwischen finden, verblassen irgendwie und laden nicht zum Lesen ein.

Bis zum zweiseitigen Bericht über Janelle Monáe. Vor Monaten schon beschäftigte sich das Missy Magazine mit ihr und veröffentlichte ein sechsseitiges Interview. Im "Fräulein" steht leider nicht viel mehr drin, als eine Kurz-Kurz-Biographie sowie eine detaillierte Beschreibung des Looks von Janelle Monáe. Als ob der_die Leser_in den nicht selbst sehen könnte auf den vielbesprochenen Bildern. Es folgt vor allem Werbung, dazwischen redaktionelle Werbung im bereits beschriebenen Stil. 

Interviews und Beiträge beschränken sich auf Fragen zu Mode, Stil und Bauchmuskeln, auf denen "man Xylophon spielen" kann. Die Frage an Ambra Medda "Bezeichnen Sie sich als Feministin?" wirkt da wie eine Pflichtübung. Die Antwort zeigt, dass die Begfragte sich ohnehin noch nie mit dieser Idee beschäftigt hat: "Ich kann mit dem Konzept schon etwas anfangen. Ich verteidige Frauen auch oft. Aber ich glaube nicht, dass wir überlegen sind oder so etwas. Wir sind einfach verschieden. Beide Geschlechter haben ihre Qualitäten."

Der Versuch ein bisschen DIY-Grrrl-Style ins Heft zu bringen scheitert. Es reicht eben nicht, kurz über Cindy Lauper zu schreiben, eine Etagére für Cupcakes abzubilden, ein Schnittmuster beizulegen und eine Frau in Männerkleidung abzulichten. 

Warum die Zeitschrift den Untertitel "Das Frauenheft das Männer lieben!" trägt? Wegen der vielen nackten Brüste? Wegen des Apfelkuchenrezepts? Oder weil das Heft ungefähr so riecht, wie die Parfümabteilung der Kaufhäuser? Die FAZ beschreibt den männlichen Blick ins Heft als "Schlüsselloch ins Nichts". Trifft es ganz gut. Die Zeit ist da versöhnlicher.


Highlight: Der Beitrag über Peaches' liebstes Beerdigungsoutfit. Die Hot-Dog-Geschichte macht wirklich Spaß. 

Lowlights: Das Hokuspokus-Horoskop (wieder hübsch illustriert, aber Horoskope?...) und die Hundeadoptionsangebote. Die kommen nämlich so rüber, als sei ein Hund ein Accessoire, ähnlich einer Hermes-Handtasche.

Einen interessanten Blick ins Heft und eine andere Meinung findet ihr hier.

4 Kommentare:

  1. "Aber ich glaube nicht, dass wir überlegen sind oder so etwas. Wir sind einfach verschieden." Ach darum geht es in diesem Feminismus von dem jetzt immer alle reden!

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  2. ...und der Fanzine-Anspruch ist dermaßen verwässert...

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  3. ... kein wunder, dass das hochglanzding nur 2€ kostet wenn alles aus werbung besteht.

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  4. haha das F. - Zitat ist echt goldig. warum hat sie nicht gleich gesagt "ich hasse doch keine Männer!"

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