Donnerstag, 11. Juli 2013

Gelesen: Das Spiel der Schwalben von Zeina Abirached

1987 herrscht Bürgerkrieg im Libanon. Die Stadt Beirut ist in zwei Teile geteilt - einen christlichen und einen muslimischen. Die Demarkationslinie trennt Stadtteile, Straßengemeinschaften, Familien. Wer von A nach B kommen will, sieht sich mit Straßensperren und Scharfschützen konfrontiert. Passant_innen werden streng kontrolliert und willkürlich behandelt. Die Bewohner_innen Beiruts passen sich der schwierigen Situation an. Aus dem ursprünglich unkomplizierten Weg, den es bei einem Verwandtenbesuch zurückzulegen gilt, wird eine Coreographie aus Schleichen, Rennen, Ducken, Warten, Sprinten. 

Die Comic-Autorin Zeina Abirached hat das alles als Kind erlebt und verarbeitet diese Erfahrungen seit geraumer Zeit in autobiographischen Kurzcomics und Graphic Novels. Das Spiel der Schwalben (Avant-Verlag 2013) ist ihre erste Graphic Novel, die in deutscher Sprache erschienen ist.


Ein einziger Tag im besagten Jahr 1987 bildet den Rahmen für Abiracheds Erzählung. Ein Tag, an dem die Eltern nach einem Besuch der Großmutter nicht nachhause kommen können, weil der Heimweg zu gefährlich ist. Rund um diese Ausgangslage erzählt das Kind Zeina als Protagonistin aus kindlicher Perspektive von den Ereignissen und Erlebnissen im Bürgerkrieg:

Wie die Wohnung immer kleiner wurde, weil die äußeren Wände immer der Gefahr ausgesetzt waren, zerstört zu werden, wie Freund_innen und Bekannte auswanderten, weil sie keine Zukunftsperspektiven sahen und wie kompliziert die Beschaffung von Wasser, Nahrung und Benzin bisweilen werden konnte.

Mit Kuchenrezepten und Anekdoten von Badeerlebnissen inklusive "Lego-Rasur" gelingt der Erzählerin aber auch der Brückenschlag zu unbeschwertem Leben, das innerhalb der Erzählung ansonsten vor allem durch Rückblenden präsentiert wird.

Zentral ist neben der Familie die Hausgemeinschaft, in die Familie Abirached eingebunden ist. Immer dann, wenn es besonders gefährlich ist, kommen die Mitglieder der Hausgemeinschaft zusammen und verbringen - fast schon rituell, denn das gibt Sicherheit - die gefährlichen Stunden zusammen. Dass Abirached all diese Menschen fest im Herzen hat, merkt man beim Lesen der Dialoge und vor allem beim Betrachten der Bilder. Die Figuren bekommen Raum und vor allem der Vergleich der eingeführten Charaktere zeigt, wie verschieden sich Krieg auf Menschen auswirken kann. So unterschiedlich die Figuren aber auch sind, sie sind eng zusammengewachsen und stehen die schwierige Zeit gemeinsam durch.

Zeina Abirached hat das gesamte Comic in schwarz-weiß gezeichnet. Ihre Stärke ist das Verharren in Situationen. Anstatt schnell von einem Aufbau in den nächsten zu wechseln, blickt sie genau hin. Die Panels wirken wie ein sehr langsam geblättertes Daumenkino. Nur minimal werden die Bilder verändert. Gerade dadurch gelingt es ihr aber, Stimmung zu erzeugen. Nervenstrapazierendes Warten, "should I stay or should I go"-Diskussionen - all das gewinnt an Bedeutung, indem den Situationen Raum gegeben wird. 

Zeina Abirached setzt sich mit Heimat auseinander und fragt, was das eigentlich bedeutet. Für sie, so scheint es, ist Heimat vor allem an Menschen und Erinnerungen gebunden. Das Politikum des Bürgerkriegs ist aus kindlicher Perspektive durch und durch von Privatem geprägt. Aber auch die räumliche Dimension von Heimat wird auserzählt, kartographiert... und letztlich muss Zeina ihre Heimat verlassen. Wenn sie in Das Spiel der Schwalben zurückblickt, tut sie das sicher mit einem weinenden Auge. Das andere aber lacht warm und herzlich. Zu schön sind die Erinnerungen an die Menschen und die skurrilen Situationen, die sie mit ihnen erlebt hat. Dem warmen Gefühl kann sich auch die Leserin nur schwer entziehen!

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