Mittwoch, 1. August 2012

Gelesen: Decibel - Queens of Noise - Women in Metal

Das Cover der August-Ausgabe
des Decibel
Seit einiger Zeit habe ich regelmäßig die Gelegenheit einen Blick in das Decibel Magazine, eine US-amerikanische Metal-Zeitschrift, zu werfen. Ich lese dann mal mehr, mal weniger interessiert über Bands wie Baroness, Municipal Waste oder Converge. Richtig gekriegt hat mich das Decibel aber erst mit der August-Ausgabe. Titel-Thema: "Queens of Noise. Women in Metal". Auf dem Cover sind drei Protagonistinnen der Szene zu sehen (Laura Pleasants, Marissa Martinez und Mlny Parsonz) und zwar nicht in objektifizierender Pose, wie ich das schon Mal kurz für andere Musikzeitschriften angesprochen habe, sondern selbstbewusst und so von unten abgelichtet irgendwie auch mächtig.


Es folgen 96 Seiten, die sich in der Hauptsache mit Frauen im Metal auseinandersetzen und versuchen, die Szene aus unterschiedlichen, weiblichen Perspektiven zu beleuchten. Dass die Texte von Männern produziert wurden, wird häufig thematisiert und damit auch problematisiert. Stimmen von Frauen kommen trotzdem zur Genüge zu Gehör! 

Besonders spannend fand ich den Artikel zu Frauen in Produktion und Management, übertitel mit "Killing is her Business". Namedroppend wird hier schnell deutlich, dass viele Ladies hier die Fäden in der Hand haben, wenn etwa erwähnt wird, dass Szenegrößen wie Down oder Slayer von Frauen vertreten werden. 

Dass aber Frauen im Metal nicht gleich Frauen im Metal sind, wird auch klar! So tragen die Protagonistinnen der Szene ganz unterschiedliche Ansichten und Erfahrungen zu ihrer Rolle innerhalb des letztlich eben doch männerdominierten Business bei. So sagt Yvette Uhlmann, die unter anderem Dimmu Borgir vertritt: "As a woman in metal, you have to work twice as hard to get on with your career and gain respect from your male coworkers." (Decibel Nr. 94, August 2012, S. 46) Andere Frauen schieben die Gender-Thematik lieber gleich weg, wie zum Beispiel Shannon Ward, Label-Boss bei Anthropic Records: "If I spent my time worrying about how my vagina is affecting my business, I would never get anything done." (ebd., S. 45)

Die Strategien divergieren also auch hier, wie so oft, zwischen der Aneignung "männlichen Verhaltens" und der Kultivierung "weiblichen Verhaltens". So oder so scheinen die Metal-Frauen ganz gut aufgestellt zu sein, 

Und auch musikalisch geht da mehr, als man zunächst annehmen mag. Abgesehen von ausführlichen Interviews mit den Frauen vom Titel, denen, die quasi "behind the scenes" tätig sind und dem obligatorischen Doro Pesch-Interview (die darf ja irgendwie nie fehlen, wenn es um Frauen im Metal geht - klar, man kann ihr ja schon irgendwie einen Godmother of Metal-Status zusprechen), gibt das Decibel auch weniger bekannten Musikerinnen Raum, ihre einflussreichsten Metal-Platten vorzustellen. Spätestens hier wird dann nochmal deutlich, dass Frauen im Metal keine homogene Gruppe sind. Die Einflüsse reichen von Black Sabbath über Slayer bis hin zu Marilyn Manson. Was deutlich wird ist, dass es an weiblichen Vorbildern in der vorigen Generation ziemlich zu fehlen scheint. Das ist allerdings nichts, was die 35 Frauen, die sich hier in den Kurzportraits selbst vorstellen, davon abgehalten hätte, selbst aktiv zu werden. 

Unterfüttert wird das Special außerdem mit der regelmäßigen Kolummne "Metal Muthas", in welcher eben Mütter von Metal-Sprößlingen interviewt werden, einem Making of zu Nuclear Death's "Bride of Incest", Reviews und verschiedenen Einseitern zu Bands mit Frauenbeteiligung. Und auch die Transgender-Thematik wird nicht ausgeklammert. Alles in allem also ein dichtes Heft.

Und da könnte man dann auch mit der Kritik ansetzen: Die Decibel-Macher haben sich große Mühe gegeben, die Bandbreite an Frauen im Metal aufzuzeigen. Mit dem angesammelten Material hätten sie wohl locker drei Ausgaben füllen können. Zwischenzeitlich verliert man die Übersicht darüber, wer grad zitiert wird und kommt nicht so recht hinterher mit der Einordnung. (Vielleicht geht es da Menschen besser, die wirklich drin sind in der Szene.) Dass nur Männer schreiben wurde bereits erwähnt. Was ich ganz angenehm fand, ist, dass aber nicht alle Frauen, die irgendwie in und mit und um Metal involviert sind, unreflektiert auf einen Sockel gehoben werden. Sharon Osbourne zum Beispiel wird hier gut aufs Korn genommen... Was dann für eine der kommenden Ausgaben nochmal in den Blick genommen werden könnte, sind Parameter wie Körperlichkeit zum Beispiel.

"Heavy Metal and Gender" lautete übrigens 2009 der Titel einer Tagung der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. Einige der Beiträge sind in Video-Form verfügbar. Unter anderem eine Podiumsdiskussion zwischen Britta Görtz (Cripper), Sabina Classen (Holy Moses), Doro Pesch und Angela Gossow (Arch Enemy). Passt hier gut hin:


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